Frage:
Der Milliardär und Drogeriemarktketten-Besitzer Götz Werner ist einer der großen Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens für jedermann. Ist das praktikabel?
Butterwegge:
Ich halte nicht viel davon, mit einem bedingungslosen Grundeinkommen alle Menschen über einen Kamm zu scheren und gar nicht mehr von ihrem unterschiedlichen Bedarf auszugehen. Es ist doch so: Wer mehr braucht, etwa weil er berufsunfähig ist, soll es bekommen. Wenn alle, auch Milliardäre wie Götz Werner und ich als C-4-Professor, vom Staat das gleiche Einkommen erhielten, würde der Sozialstaat, wie wir ihn kennen, zerschlagen. Problematisch ist auch die Finanzierung. Werner möchte das Grundeinkommen durch eine auf 50% erhöhte Mehrwertsteuer finanzieren. Diese Steuer tragen aber nicht in erster Linie Reiche, sondern eher Normalverdiener und Benachteiligte. Denn Milliardäre geben anteilsmäßig viel weniger von ihrem Vermögen aus. Doch erst wenn man konsumiert, zahlt man die Mehrwertsteuer.
Frage:
Wie muss Sozialpolitik also in Zukunft aussehen?
Butterwegge:
Es muss ein radikaler Kurswechsel erfolgen. Aber angesichts der aktuellen Prognosen sehe ich kein Wahlergebnis, das an der Berliner Regierungspolitik etwas ändern wird. Es muss eine soziale Grundsicherung geben, die ihren Namen auch wirklich verdient – auf einem viel höheren Niveau als Hartz IV. 500 Euro plus Heiz- und Mietkosten wären sicherlich angemessen, um die steigenden Preise aufzufangen. Aber auch auf anderen Ebenen, zum Beispiel mit spezifischen Kinderregelsätzen und einem gesetzlichen Mindestlohn von 9 oder 10 Euro, muss angesetzt werden.
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Herr Butterwegge spricht ebenfalls, wie auch andere Grundeinkommenskritiker, von „unterschiedlichem Bedarf“ und betont die Unterschiede der Menschen. In unserem existenzsichernden Bedarf sind wir Menschen aber gerade nicht unterschiedlich: Nahrung, Kleidung, Wohnen, Energie. Da sind wir alle gleich. Das brauchen wir alle gleichermaßen. Und da macht es Sinn, für alle, ein das Nötigste sichernde Einkommen bedingungslos zu gewähren. Dass z.B. behinderte Menschen zusätzlich zu ihrem Bedingungslosen Grundeinkommen (BG) noch weiteren Bedarf anmelden können, ist doch klar. Aber es wird noch mehr Menschen geben, die mit dem BG eine gute Startposition ins Leben haben.
„Der Sozialstaat, wie wir ihn kennen“ ist doch auch der, der uns Hartz4 antut. Und das BG wäre ein Weg heraus aus diesem Zwangsarbeiterstaat. Und Herr Butterwegges Aussagen zur Mehrwertsteuer sind unzureichend. Er verschweigt die Vorteile der Konsumsteuer, die da wären: Höhere Verfügbarkeit an Geldmitteln bei allen Gehaltsbeziehern, da sie ja das Brutto statt das Netto haben. Reduzierung der Kosten rund um die Steuererhebung, da es nur noch einen Ort der steuerlichen Veranschlagung gibt. Wegfall der Schwarzarbeit. Die Steuerhinterziehung wird erschwert. Das höhere Brutto kann z.B. für Investitionen in die eigene Fortbildung verwendet werden. Dem Unternehmer steht mehr Geld für Investitionen zur Verfügung. Die ausländischen Käufer unserer Produkte werden nicht mit unseren Infrastrukturkosten belastet. Die Produktion in unserem Lande wird verbilligt, und wird dadurch für Investoren interessant. Die Personalkosten sinken und mehr Staatsbürger finden wieder eine Arbeit.
Dass die Steuern, die in diesem Land erhoben werden, überwiegend von Benachteiligten und Normalverdienern aufgebracht werden, wer glaubt denn so was. Das wäre doch viel zu wenig Geld. Natürlich konsumieren die Menschen, die mehr Geld haben, auch mehr. Der Luxusartikelboom der letzten Jahre hatte das zur Genüge gezeigt. Häuser, Grundstücke, teure Autos gingen weg wie warme Semmeln. Auch da ist das Bild, das Herr Butterwegge von der Gesellschaft malt, einfach falsch.
Aber ein Trost, Herr Butterwegge will ebenfalls eine „soziale Grundsicherung“: 500 € + Miete + Heizung. – Kommt mir irgendwie bekannt vor. 🙂
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